1896_huetteneinweihung  | © michael sauter

Sektionsgeshichte

Eine bewegte Geschichte

28.11.2024

Geschichte der Sektion Wiesbaden des Deutschen Alpenvereins
Schwieriger Beginn
„Es war im Anfang des Jahres 1882, als ein paar begeisterte Freunde der Alpen dem Gedanken näher traten, durch eine Vereinigung Gleichgesinnter und Gleichstrebender eine Sektion Wiesbaden des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins ins Leben zu rufen.“
Am 28. März 1882 war es dann soweit: Nur dreizehn Jahre nach der Gründung des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins (DuOeAV) in München, trafen sich in Wiesbaden sieben Herren und „konstituierten sich in einstimmigem Beschluß als Sektion Wiesbaden“. Zum Vorsitzenden wählten sie den Polizeidirektor Dr. Hugo Karl Klemens von Strauß und Torney.
Die ersten Jahre der neuen Sektion verliefen schwierig. Die Vorsitzenden wechselten rasch und die finanziellen Mittel waren knapp. Zudem wurde das jeweils für einen Hüttenbau gesammelte Geld 1882 und 1885 für Opfer von Unwetterkatastrophen in den Alpen gespendet.

Bau der Wiesbadener Hütte
1896 Einweihung Wiesbadener Hütte (Foto)
Nach mehreren halbherzigen Versuchen, in den Alpen ein Arbeitsgebiet zu finden – z.B. bei Hintertux im Zillertal –, wurden die Hüttenpläne 1891 konkret: Der neue Vorsitzende Dr. Ludwig Kaiser brachte frischen Wind ins Sektionsleben und intensivierte die Suche nach einem geeigneten Platz für eine eigene Hütte, da er dies als unabdingbar für Bestand und Wachstum der Sektion ansah.
Mehrere Mitglieder hatten das Gebiet der Silvretta durchstreift und 1893 beschloss die Generalversammlung, die Wiesbadener Hütte im oberen Vermunttal am Fuße des Piz Buin zu bauen. Die Sektionsmitglieder zeichneten dafür eine unverzinsliche Anleihe von 7.500 Mark. Nach der Vertragsschließung mit der Gemeinde Ardez im Unterengadin als Grundeigentümer und dem Posthalter und Gastwirt J. M. Mattle aus Galtür als Generalunternehmer wurde nach Plänen des Sektionsmitgliedes Regierungsbaumeister Haeuser die Hütte errichtet.
Am 21. August 1896 wurde die Wiesbadener Hütte – ein Wirtschaftsraum und drei Zimmer mit zusammen 16 Betten – eingeweiht. Zur Einweihung fanden sich rund 85 Menschen ein, die auf das Wohl der neuen Hütte 100 Flaschen Rheinwein leerten.

 

Die Ära Veesenmeyer
1896 Panorama-PizBuin-Schattenspitze (Foto)
Nachdem Ludwig Kaiser beruflich nach Kassel versetzt worden war, wählte die Sektion 1901 den evangelischen Pfarrer Emil Veesenmeyer zum neuen Vorsitzenden – er blieb es bis 1924. In sein erstes Amtsjahr fiel die Ausrichtung der Generalversammlung des DuOeAV vom 4. bis 9. September 1901. 100 deutsche und 29 österreichische Sektionen kamen nach Wiesbaden, 914 Festbesucher erlebten eine Festvorstellung im Theater, die Hauptversammlung im Kurhaus sowie als krönenden Abschluss eine Rheinfahrt mit Festakt am Niederwalddenkmal.
Im gleichen Jahr wurde eine Erweiterung der Wiesbadener Hütte geplant, der im August 1903 eingeweiht werden konnte. In der alten Hütte blieben der Wirtschafter und die Bergführer, im Neubau entstanden 12 Zweibettzimmer und ein großes Matratzenlager für insgesamt 37 „Turisten“, „so dass nun die Hütte für absehbare Zeit allen Ansprüchen genügt und … in Einrichtung und Bewirtschaftung mustergültig geworden ist“.

 

1906 Madlenerhaus (Foto)
Die gute wirtschaftliche Entwicklung und steigende Mitgliederzahlen sorgten dafür, dass es der Sektion wirtschaftlich immer besser ging – und der Vorstand nach neuen Betätigungsfeldern suchte. Fündig wurde er im direkten Umfeld der Wiesbadener Hütte. Die Sektion Vorarlberg sah sich finanziell nicht in der Lage, einen notwendigen Umbau des Madlenerhauses zu stemmen. Nach zunächst geheimen, dann offenen Verhandlungen konnte die Sektion Wiesbaden am 19. Juli 1906 für 2.000 Mark das Madlenerhaus übernehmen – verbunden mit der Verpflichtung, dieses auszubauen und den alten Namen beizubehalten.
Der Umbau, für den die Sektion 20.000 Mark zinslose Anleihe bei ihren Mitgliedern aufnahm, gestaltete sich teilweise schwierig. 1908 wurde das neue Dach von einem Föhnsturm abgerissen und 40 Meter weit weggeschleudert. Der Umbau konnte trotzdem am 12. Juni 1909 eingeweiht werden. Acht Zweibettzimmer und ein 14er-Lager entstanden neu, die alte Hütte wurde nach dem Vorbild der Wiesbadener Hütte zu Gast- und Wirtschaftsräumen umgebaut.

Erster Weltkrieg und Wiederaufbau
In den Alpen hatte das Zeitalter des Wintertourismus begonnen. 1911 gründete sich in der Sektion eine Schneeschuhabteilung. Auch finanziell ging es der Sektion weiter gut. Schon Anfang 1914 waren alle Schulden des Umbaus der Wiesbadener Hütte abgetragen. Doch der Ausbruch des Ersten Weltkriegs setzte der Expansion der Sektion ein jähes Ende.
In den kommenden vier Jahren waren zahlreiche Sektionsmitglieder an der Front, 17 davon verloren ihr Leben. Die Hütten lagen im mittelbaren Kriegsgebiet, konnten deshalb nicht besucht werden – und brachten natürlich auch keine Einnahmen. Das Sektionsleben kam fast völlig zum Erliegen. Die Hauptversammlung 1918 musste auf das nächste Frühjahr verschoben werden, da sich kein beheizbares Lokal fand.
Bei Kriegsende waren die beiden Hütten fast völlig ausgeplündert, ein Koffer mit Wäsche und einige zum Einfärben angelieferte Decken waren das einzige, was der Sektion von der Inneneinrichtung blieb.
1920 begann der Wiederaufbau der Hütten, doch erst ab Sommer 1923 konnte wieder von einem geordneten Betrieb gesprochen werden. Die Zahl der Bergtouristen nahm ständig zu, vor allem auch im Winter. Die Sektion wies 1924 beide Pächter an, die Hütten auch im Winter zu bewirtschaften.

Weimarer Republik und Nationalsozialismus
1931 Wiesbadener Hütte (Foto)
Die politisch unruhigen Zeiten der Weimarer Republik waren im Sektionsleben kaum zu spüren, erfassten aber den Hauptverein. Sie fanden ihren Höhepunkt in der Affäre um den Ausschluss der Sektion Donauland, in der sich hauptsächlich jüdische Alpinisten zusammengeschlossen hatten. In einer außerordentlichen Hauptversammlung stimmte 1924 eine große Mehrheit der Sektionen für den Ausschluss – auch Wiesbaden. Daraufhin verließen Anfang 1925 alle 14 jüdischen Mitglieder geschlossen die Wiesbadener Sektion.
Die großen Besucherzahlen machten weitere Umbauten der Hütten erforderlich. Die Wiesbadener Hütte wurde 1925 und 1926 nach zwei Richtungen erweitert und bot danach 80 Schlafplätze, bei allerdings sehr beengten Verhältnissen im Gastraum. Das Madlenerhaus wurde durch 24 zusätzliche Lager im Dach erweitert und hatte Ende der 20er Jahre 55 Schlafplätze. Auch der technische Fortschritt hielt Einzug. In beide Häuser wurde eine „Frischluft-Ventilationsheizungsanlage, System Etna“ eingebaut – die in der Wiesbadener Hütte bis Anfang der 80er Jahre mehr oder weniger erfolgreich im Einsatz war. Auch elektrische Lichtanlagen wurden eingebaut. Das Madlenerhaus bezog seinen Strom vom Netz der Vorarlberger Illwerke, die Wiesbadener Hütte wurde aus riesigen Akkumulatoren versorgt.
1932 konnte die Sektion ihr 50jährigeds Bestehen feiern. Die Zahl der Mitglieder betrug rund 550. Doch nur ein Jahr später begann mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten eine Zeit gravierender Umwälzungen. Alle Vereine wurden „gleichgeschaltet“ und mussten das „Führerprinzip“ umsetzen. Am 24. Juli 1933 wählten die Mitglieder den langjährigen Schriftführer August Claas „einstimmig zum Führer“ der Sektion Wiesbaden.
Probleme gab es nun mit den Hütten. Die von Nazi-Deutschland gegen Österreich verhängte „1.000-Mark-Sperre“ (diesen Betrag musste jeder entrichten, der die Grenze nach Österreich überschritt), machte den Besuch der beiden Hütten praktisch unmöglich. Das Ende der Sperre mit dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich führte dann 1938 zu einer Besuchswelle, die mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs aber ein jähes Ende fand. Die Hütten wurden der Sektion entzogen und von Grenztruppen besetzt.
Der Zweite Weltkrieg legte das Sektionsleben fast völlig lahm. Mit dem Bombenangriff auf Wiesbaden am späten Abend des 2. Februar 1945 verlor die Sektion zudem ihre Heimat in der Webergasse – und damit auch fast alle Akten, Aufzeichnungen und Bücher.

Wiederaufbau und neues Hütten-Abenteuer
Madlenerhaus 1952 (Foto)
Nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches 1945 wurden alle Vereine von den Alliierten aufgelöst, auch die Alpenvereins-Sektion Wiesbaden. Doch schon bald gelang es dem ehemaligen Vorsitzenden Rudolf Gutmann, die Amerikaner davon zu überzeugen, dass der „Alpenverein Wiesbaden“ (das Wort ‚deutsch‘ wurde weggelassen) keine Verbindung zu den Nationalsozialisten hatte. Am 12. August 1946 entstand die Sektion neu. Die nächste Mitgliederversammlung konnte aber erst am 12. Oktober 1949 stattfinden. Da Rudolf Gutmann kurz zuvor gestorben war, wählten die Mitglieder Dr. Friedrich Heineck zu ihrem neuen Vorsitzenden.
Das Vereinsleben nahm wieder Fahrt auf und die Zahl der Mitglieder stieg rasch an, 1949 gründete sich eine Klettergruppe. Die Sektion war aber weiter ohne eigene Hütten, denn diese standen unter österreichischer Treuhandverwaltung. 1951 konnte dann die Wiesbadener Hütte wiedereröffnen, 1952 das Madlenerhaus. Die Sektion Wiesbaden war am Betrieb finanziell und arbeitsmäßig beteiligt, erhielt die Hütten aber erst 1956 wieder in ihren Besitz.
Die Zahl der Besucher auf den Hütten stieg ständig und erreichte 1962 mit 17.000 Übernachtungsgästen auf der Wiesbadener Hütte ihren vorläufigen Höhepunkt. 1964 beschloss die Sektion den Bau einer dritten Hütte – im Klostertal, in unmittelbarer Umgebung der beidem ersten. Das Vorhaben wurde zum Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen – sogar der Verkauf des Madlenerhauses wurde vorgeschlagen – und endete in einem finanziellen Desaster. Die Sektion verkaufte schließlich den Rohbau an die Sektion Stuttgart. Der Weiterbau wurde aber von Umweltschützern erfolgreich bekämpft, sodass die Hauptversammlung des DAV 1983 den Abriss beschloss. Schließlich wurde das Haus 1993 als Selbstversorgerhütte und Stützpunkt für die Bergrettung fertiggestellt und eröffnet.

Klostertal 1974 (Foto)
Abteilungen kommen und gehen
1964 war die Sektion Wiesbaden zum zweiten Mal Gastgeber der Hauptversammlung des Deutschen Alpenvereins (DAV). Hunderte Delegierte diskutierten zwei Tage lang im Kurhaus. Im gleichen Jahr verlor die Sektion ihre Schneeschuhabteilung. Diese hatte sich bereits 1952 unter dem Namen „Skizunft“ neu organisiert und machte sich nun mit dem gleichen Namen selbstständig.
In den folgenden Jahren blieben die beiden Hütten ein großes Aufgabenfeld. 1974 zerstörte ein Sturm den Schlaftrakt des Madlenerhauses. Dieser musste komplett abgerissen und neu aufgebaut werden – die Arbeit eines Sommers, wobei der Vorsitzende der Sektion, Dr. Rudolf Berndsen, die Bauleitung persönlich übernehmen musste, weil der Architekt davonlief.
Die Wiesbadener Hütte wurde ab 1977 umfangreich saniert – ein neuer Schlaftrakt wurde angebaut, der Mitteltrakt wurde umgebaut und eine Kläranlage errichtet. 
1990 konnte Herr Pfarrer Rohr auf Grund einer Erbschaft und mit tatkräftiger Hilfe auch der örtlichen Pfarrer und Gemeinden den Bau einer Kapelle an der Wiesbadener Hütte ermöglichen. 1993 bekam diese sogar noch eine Glocke “Sankt Michael”.
Schließlich wurde die Hütte durch eine sieben Kilometer lange Erdleitung noch an das Stromnetz angeschlossen – der alte Dieselgenerator hatte ausgedient.
Im Zuge der 125-Jahr-Feier meldeten sich 2007 einige aktive Mitglieder, die mit einem offenen Brief verschiedene Wünsche bezüglich einiger Neuerungen anmeldeten. In der Folge wurden mehrere neue Gruppen gegründet, darunter die Mountainbikegruppe, eine Neuauflage der Familiengruppe und die Gruppe „Hoch hinaus – Klettern mit Handicap“. Das Kurs- und Tourenprogramm wurde deutlich ausgeweitet. 2010 ging die Homepage der Sektion online, 2012 zog die Geschäftsstelle von der Philippsbergstraße in die die Holzstraße um, wo deutlich mehr Platz ist.

Verkauf des Madlenerhauses

Madlenerhaus 2004 (Foto)

Im Winter 2001 zerstörte ein Großbrand das Madlenerhaus fast völlig. Der Wiederaufbau erwies sich als sehr zeit- und kostenaufwendig, rund 1,4 Millionen Euro wurden investiert. Das brachte die Sektion in finanzielle Schwierigkeiten, zumal wegen neuer gesetzlicher Regelungen der Neubau einer Kläranlage der Wiesbadener Hütte nötig wurde. Als die Vorarlberger Illwerke AG den Bau eines Pumpspeicherwerkes am Silvrettastausee in unmittelbarer Umgebung des Madlerhauses ankündigte, war klar, dass das Madlenerhaus jahrelang in mitten einer Großbaustelle liegen und damit unattraktiv werden würde. In der Sektion entbrannte eine sehr emotionale Diskussion um den möglichen Verkauf. Auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung am 16. August 2012 wurde schließlich beschlossen, das Haus zu verkaufen.
In diesem Zusammenhang gab es auch Veränderungen im Vorstand. Der langjährige Vorsitzende Michael Sauter trat zurück, sein Nachfolger Franz Farnschläder blieb nur ein halbes Jahr im Amt und wurde bereits im November 2012 von Dr. Uwe Goerttler abgelöst.
Neben der Abwicklung des Madlenerhaus-Verkaufs war der Bau der neuen Kläranlage eine der wichtigsten Aufgaben des neuen Vorstands. 2018 war die Anlage nicht nur fertig, sie war für die Sektion auch deutlich billiger geworden als zuvor angenommen.
Die gute finanzielle Lage und die ständig wachsende Mitgliederzahl – 2018 stieg sie erstmals über 5.000 – führten dazu, dass die Sektion ihre Bemühungen intensivierte, ein eigenes Domizil zu erwerben.

 

Wiesbadener Hütte 2019 (Foto)

Vorsitzende
1882 bis 1883 Dr. Hugo Karl Klemens von Strauß und Torny
1984 bis 1885 Julius Ratzeburg
1886 bis 1888 Carl von Reichenau
1889 bis 1890 Rudolph Köpp
1891 bis 1900 Dr. Ludwig Kaiser
1901 bis 1924 Emil Veesenmeyer
1925 bis 1931 Otto Pempel
1932 bis 1939 August Claas
1940 bis 1949 Rudolf Gutmann
1950 bis 1959 Dr. Friedrich Heineck
1960 bis 1964 Dr. Otto Wehn
1965 bis 1975 Dr. Rudolf Berndsen
1976 bis 1982 Hubert Schönhoff
1983 bis 1993 Bertram Rohr
1994 bis 2012 Michael Sauter
2012 Franz Farnschläder
Seit 2012 Dr. Uwe Goerttler

Ehrenvorsitzende
Emil Veesenmeyer (1. Vorsitzender 1901 bis 1924)
O. Neizert (2. Vorsitzender 1911 bis 1929)
Dr. Friedrich Heineck (1. Vorsitzender 1950 bis 1959)
Dr. Rudolf Berndsen (1. Vorsitzender 1965 bis 1975)
Michael Sauter (im Vorstand seit 1971, 1. Vorsitzender 1994 bis 2012)

Ehrenmitglieder
Dr. Ludwig Kaiser (1. Vorsitzender 1891 bis 1900)
L. Hoffmann
Wilhelm Neuendorff (Hüttenwart Wiesbadener Hütte 1902 bis 1923)
August Claas (Schriftführer 1911 bis 1932, 1. Vorsitzender 1932 bis 1939)
Ludwig Heß (Geschäftsstelle 1890 bis 1918)
Walter Flaig (Alpinschriftsteller)
Maria Hecht (Wandergruppe)
Günther Altenhofen (Hüttenwart Wiesbadener Hütte 1983 bis 2009)

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